Wer die Schuld nicht trägt, wirft sie – und ich lerne, stehen zu bleiben! Gedanken über die stille Gewalt von Umkehrung…
- Daniela Klug Beratung
- 30. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Es gibt Menschen, die laden viel Schuld auf sich. Nicht die kleinen Unachtsamkeiten, über die man irgendwann lacht. Sondern die Art von Schuld, die etwas zerreißt: Beziehungen, Vertrauen, das Bild, das man von der Welt hatte.
Und manchmal – vielleicht zu oft – halten sie diese Schuld nicht aus. Sie tragen sie nicht. Sie beugen sich nicht darunter. Sie schauen ihr nicht ins Gesicht. Stattdessen beginnen sie, die Geschichte umzuschreiben.
Manche tun das leise. Hinter verschlossenen Türen. In Halbsätzen, in Andeutungen. Geschickt, fast unmerklich. Andere tun es laut. Auf offener Bühne. So überzeugend, dass selbst enge Vertraute ins Zweifeln kommen.
Und manchmal ist es genau derselbe Mensch, der vorher unter Tränen gesagt hat: „Es tut mir leid. Ich habe euch wehgetan. Ich will, dass ihr wieder heil werdet.“ Der darum gebeten hat, noch einmal neu anfangen zu dürfen. Der gedankt hat für Geduld, für Liebe, für die Kraft, die man selbst kaum noch hatte.
Und genau dieser Mensch beginnt später, ein ganz anderes Bild zu zeichnen. Nicht unbedingt aus Bosheit. Vielleicht aus Angst. Vielleicht aus Scham. Vielleicht, weil es einfacher ist, an der eigenen Version festzuhalten, als sich der Tiefe der eigenen Schuld zu stellen.
Aber die Folgen sind gewaltig. Denn die Umkehr der Geschichte trifft genau jene, die längst verletzt sind.
Wer einst das Opfer war, wird nun zur Täterin gemacht.
Wer schweigt, wird verdächtigt.
Wer müde ist vom Kämpfen, wird beschuldigt, nicht gekämpft zu haben.
Und es tut weh. Auf eine Weise, für die es oft keine Worte gibt.
Ich weiß das. Nicht aus der Theorie. Sondern aus dem eigenen Leben.
Für mich persönlich war es ein Schock. Ich hatte geglaubt, dass das Schlimmste vorbei sei. Dass die Zeit der Lügen und Ausflüchte hinter uns liegt. Dass das, was an Einsicht ausgesprochen wurde, ein Fundament sein könnte – wenigstens für einen respektvollen Umgang, wenn schon keine Versöhnung möglich ist.
Aber dann kam die Erkenntnis, dass im Hintergrund längst eine andere Geschichte erzählt wurde. Über mich. Über die Vergangenheit. Über all das, was ich getragen habe.
Und plötzlich stehst du da. Nicht nur mit dem, was war. Sondern auch mit dem, was jetzt behauptet wird. Und du fragst dich: Was bleibt von meiner Wahrheit, wenn sie jemand so beharrlich übermalt?
Lange Zeit habe ich geschwiegen. Nicht, weil ich nichts zu sagen gehabt hätte. Sondern weil ich geglaubt habe, dass Schweigen friedlicher ist. Würdevoller. Ich wollte nicht so werden wie der Mensch, der mir so wehgetan hat.
Aber inzwischen weiß ich: Schweigen schützt nicht immer.
Manchmal schützt es nur die Lüge.
Mir wurde geraten – und ich spüre, dass es stimmt – meine Wahrheit nicht nur innerlich zu tragen, sondern sie auch auszusprechen. Nicht als Gegenschlag. Sondern als Rückgewinnung meiner Geschichte.
Denn Schuld, die nicht getragen wird, wird oft geworfen. Und wer nicht sagt, was wirklich war, lässt zu, dass eine Lüge stehen bleibt.
Vielleicht ist das der schwerste Schritt:
Nicht nur zu erinnern, was war – sondern es auch zu benennen.
Nicht nur innerlich zu wissen, wie tief der Schmerz ging – sondern ihm eine Stimme zu geben.
Nicht, um zu verurteilen. Sondern um wieder aufrecht gehen zu können.
Vielleicht ist genau das eine Form von Würde.
Und vielleicht ist genau darin der Anfang von Heilung.
Langsam. Still. Aber wahr.
Und wenn du das hier liest –
und etwas in dir leise „Ja“ sagt,
weil du Ähnliches erlebt hast oder gerade mittendrin steckst –
dann möchte ich dir sagen:
Du bist nicht falsch.
Du bildest dir nichts ein.
Es ist schwer, wenn deine Geschichte verdreht wird.
Es ist verwirrend, wenn dir jemand in die Augen sieht und etwas ganz anderes sagt, als er im Hintergrund tut.
Aber du darfst wissen, was du erlebt hast.
Du darfst traurig sein.
Wütend.
Erschöpft.
Und du darfst beginnen, deine Geschichte wieder in deine Hände zu nehmen.
Vielleicht nicht heute. Vielleicht nicht laut. Aber in deinem Tempo.
Du musst dich nicht beweisen.
Aber du darfst dich behaupten.
Still. Klar. Und mit allem, was dich ausmacht.
Und vielleicht ist auch das Teil des Weges:
Dass du nicht allen erklären musst, was passiert ist.
Nicht jede Stimme überzeugen. Nicht jede Lüge richtigstellen.
Es kommt nicht darauf an, dass dir alle glauben.
Sondern dass dich die Menschen, die dir wirklich nahe stehen, kennen.
Verstehen.
Hören, was du sagst – und was du nicht mehr sagen willst.
Und du darfst wählen, wer dich auf deinem weiteren Weg begleitet.
Nicht aus Härte. Sondern aus Selbstachtung.
Du darfst dich verabschieden von dem, was dir nicht guttut.
Und weitergehen. Nicht alleine. Sondern in deiner Wahrheit.
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