Erschöpfung trägt manchmal ein Lächeln
- Daniela Klug Beratung
- vor 33 Minuten
- 3 Min. Lesezeit
Viele Menschen stellen sich Depression oder eine Erschöpfungsdepression so vor: jemand liegt tagelang im Bett, traurig, leer, ohne Antrieb, ohne Freude. Aber so sieht sie nur in manchen Fällen aus. Die Wahrheit ist oft viel unsichtbarer – und dadurch umso tückischer.
Denn Erschöpfung kann ein Kleid tragen, ein gepflegtes Gesicht, ein frisches Parfum. Sie kann aufstehen, zur Arbeit gehen, Smalltalk führen, Präsentationen halten und freundlich nicken, wenn jemand fragt, wie es einem geht. Sie kann lächeln, Witze machen, zuhören, Pläne schmieden – und innerlich dabei langsam zerbröckeln.
Von außen wirkt alles in Ordnung. Fast perfekt sogar. „Du machst das ja super!“, sagen die Leute. „Du bist so stark!“ Und du nickst und lächelst und denkst: Wenn du wüsstest.
Im Inneren sieht es anders aus. Da ist ein Körper, der längst auf Alarm steht. Herzrasen ohne ersichtlichen Grund. Zittrige Hände beim Zähneputzen. Übelkeit, sobald man zur Ruhe kommen will. Nächte, in denen der Kopf nicht abschaltet, obwohl man sich nach Schlaf verzehrt. Ein Magen, der sich anfühlt, als würde er gegen dich kämpfen. Muskeln, die hart werden, obwohl du einfach nur still sitzt. Ein Nervensystem, das wie ein aufgescheuchtes Tier durch den Körper tobt.
Und dann dieser Nebel im Kopf – Wörter, die verschwinden, Gedanken, die sich im Kreis drehen. Du gehst in ein Zimmer und weißt nicht mehr, warum. Du liest denselben Satz fünfmal, ohne ihn zu verstehen. Du starrst ins Leere, während du innerlich schreist: Ich kann nicht mehr. Aber ich muss doch.
Dieses „Müssen“ hält viele am Leben – und gleichzeitig gefangen. Weil man glaubt, funktionieren zu müssen. Weil man sich schämt, zu sagen, dass man nicht mehr kann. Weil man Angst hat, dass andere enttäuscht wären. Oder dass sie einen plötzlich anders sehen.
Also funktioniert man weiter. Man übertönt das eigene Herz mit Terminen, Verantwortung, Lächeln. Man spielt mit beim Alltagstheater, in dem jeder tut, als wäre alles okay. Und irgendwann glaubt man es selbst fast. Bis man allein ist. Und der Vorhang fällt. Und der Körper endlich das sagt, was der Mund schon lange verschweigt.
Erschöpfung ist kein Schwächezeichen. Sie ist ein Alarmsignal. Sie zeigt, dass du zu lange stark warst. Zu oft funktioniert hast. Zu selten gestoppt hast, als dein Körper geflüstert hat: Bitte nicht mehr.
Und sie kann so leise beginnen. Ein bisschen Müdigkeit. Ein bisschen Überforderung. Ein bisschen „Ich halt das noch durch“. Bis du irgendwann merkst, dass dich schon das Duschen anstrengt. Dass du nicht mehr weißt, wann du das letzte Mal wirklich tief geatmet hast. Dass selbst Freude sich schwer anfühlt –und du sie trotzdem spielst, damit niemand merkt, wie unglaublich brüchig alles ist.
Darum ist es so wichtig, Depressionen, Erschöpfungsdepressionen und Belastungsstörungen nicht auf ein Bild zu reduzieren. Sie sind nicht immer die Frau im Bett mit leerem Blick. Manchmal sind sie die Kollegin, die morgens die anderen anlächelt, den Kaffee holt, alles im Griff zu haben scheint – und abends im Auto in Tränen ausbricht. Manchmal sind sie der Mann, der Witze reißt, um nicht zu spüren, wie erschöpft er ist. Manchmal sind sie die Mutter, die alles organisiert, während sie innerlich längst zusammengebrochen ist.
Erschöpfung trägt viele Gesichter. Auch das Gesicht, das lacht. Auch das, das zu viel gibt. Auch das, das alles am Laufen hält, damit es nicht auffällt, dass innen längst nichts mehr übrig ist.
Wenn du dich darin wiedererkennst: Du bist nicht schwach. Du bist müde. Du warst zu lange stark. Dein Körper versucht dich nicht zu sabotieren –> er versucht dich zu schützen. Vielleicht zum ersten Mal.
Möglicherweise er ist jetzt die Zeit, ihn ernst zu nehmen. Nicht erst, wenn du gar nicht mehr kannst. Sondern jetzt. In dem Moment, in dem du merkst, dass du dich selbst übertönst. Es braucht Mut, langsamer zu werden. Es braucht soo viel Mut, ehrlich zu sein. Und es braucht Liebe: die Art von Liebe, die man sich selbst oft als Letztes zugesteht.
Erschöpfung trägt manchmal ein Lächeln. Aber unter diesem Lächeln liegt ein Mensch, der dringend Ruhe braucht. Und der es wert ist, sie zu finden.
Ich kenne dieses Lächeln. Ich habe es selbst getragen.

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