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Daniela Klug Beratung

Meine Box, die mir nicht gehört

Aktualisiert: 23. Mai 2020


Manchmal fühlt sich alles schwierig an. Unverständlich, gedämpft, leise und viel zu laut, schwer und bedrückend. Kalt und heiß zugleich. Als würde ich in einer kleinen Box sitzen und durch beschlagenes Fensterglas nach draußen sehen. Alles wirkt verschwommen, unscharf, nicht klar zu erkennen oder zu definieren. Die Box ist eng, ich sitze unbequem darin und mir fehlt die frische Luft. Meine Gedanken nehmen den Raum in der Box ein, den letzten Rest davon. Bald fangen sie an zu wispern, zuerst nur ganz leise, kaum zu verstehen, dann werden sie deutlicher, rücken näher an mein Ohr heran, bis sie mir schließlich unerträglich laut in beide Ohren brüllen. Ich kann sie mir nicht zuhalten, meine Arme sind zu schwer, schwer wie Blei.


Da rüttelt jemand an meiner Box und meine lauten Gedanken verstummen plötzlich. Es ist ganz leise, ich kann meinen Herzschlag hören. Ich möchte etwas sagen, aber es kommt mir kein Wort über die Lippen. Der Mensch neben meiner Box rüttelt noch einmal vorsichtig daran und spricht etwas, leise und sanft. Ich kann aber nichts davon verstehen, so sehr ich mich auch anstrenge. Da höre ich seine Schritte, wie er sich entfernt.


Lange Zeit bin ich in meiner Box allein, meine Augen sind geschlossen. Irgendwann öffne ich sie und das Glas ist nicht mehr verschwommen. Ich gucke raus, es regnet leicht und ich kann sehen, wie die Tropfen auf den Boden fallen. Tropf, tropf. Und noch mehr tropf, tropf, wo sie landen, hinterlassen die Regentropfen kleine Pfützen. Mir gefällt das, mich beruhigt das. Ich schlafe ein, schlafe unruhig und wache hungrig auf. Der Mensch ist wieder da und spricht mit mir. Diesmal kann ich die Worte nicht nur hören, sondern auch verstehen. Ich höre zu. Der Mensch entfernt sich erneut und ich kann noch verstehen, dass er wiederkommen wird, wenn ich möchte. Ich sage zaghaft zu.


Als er wiederkommt, unterhalten wir uns. Angeregt und lang und irgendwann fragt er mich, warum ich in der Box sitzen würde. Ich weiß es nicht, antworte ich. Er fragt, ob ich raus möchte und ich sage wieder, dass ich es nicht weiß. Er setzt sich neben meine Box und wir schweigen. Ein angenehmes Schweigen, kein verlegenes.


Die Vögel zwitschern, der Wind rauscht durch die Bäume, die Blätter rascheln und ich spüre die warme Abendsonne auf meiner Haut. Und mein Magen knurrt laut in die herrliche Stille. Der Mensch fragt mich, ob ich etwas essen möchte und ich sage ihm, dass ich das sehr gerne möchte. Er hat ein Brot dabei, er will es mir geben, aber er sagt, ich müsse die Box öffnen, das könne nur ich, von innen und er zeigt durch das Glas auf eine Seite neben mir. Ich drehe meinen Kopf dort hin und sehe voller Erstaunen einen Riegel auf der Innenseite. Ich öffne den Riegel und er gibt mir das Brot. Ich esse es genüsslich und fühle mich gestärkt. Die Sonne geht langsam unter und da reicht er mir seine Hand durch die offene Seite. Ich nehme sie und er hilft mir aus der Box heraus. Ich bin ihm so dankbar, doch er winkt ab. Er meint, er wäre nur da gewesen, aber öffnen und herauskommen hätte ich schließlich selbst müssen.


Ich richte mich auf, strecke mich und atme voller Freude die frische Luft ein. Gemeinsam entfernen wir uns von dem Ort und ich richte keinen Blick mehr zurück zu der Box. Es ist jetzt nicht mehr meine Box. Es ist einfach nur irgendeine Box. Und ich weiß nun, wenn es schwierig wird und ich mich so fühle, dann kann ich mich ausruhen und die Box jederzeit von innen wieder öffnen.

 

"Die Tür zur Erfahrung

lässt sich nur von innen öffnen"

 



Daniela Klug

Dornbirn - +43 (0)660 118 18 05


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